Am 22. März 2020, also ziemlich genau vor einem Jahr, begann der erste Corona-Lockdown in Deutschland. Ich erinnere mich gut, wie ich in Köln im Büro saß und überlegte, ob wir
als Hochschule wohl auch von der Schließung betroffen sein würden. Ja, Sie lesen richtig, das habe ich mich gefragt! Wie naiv das ist? Das ist sehr naiv, besonders in
Anbetracht der Tragweite der Pandemie aus heutiger Sicht. Aber seien Sie nachsichtig mit mir - ohne Erfahrung in digitaler Lehre, konnte ich mir zu dem Zeitpunkt einfach nicht
vorstellen, wie wir unsere Themen, Inhalte und Kompetenzen online würden vermitteln können. Ein Physician Assistance Studium ist ja keine theoretische Disziplin, sondern voll
von praktischen Fertigkeiten, wie vorbereitende Anamneseerhebung und Untersuchungstechniken, um nur zwei Beispiel zu nennen.
Aber, der Lockdown kam (natürlich!) auch für unsere Hochschule und damit kam für uns als Hochschullehrende die Umstellung: von 100 % Präsenzunterricht auf 100 % digitale Lehre
in gefühlt drei Tagen.
Bämmm! Da saß ich dann im Homeoffice vor meinem Rechner und spürte eine ziemliche Verzweiflung. Wie soll das gehen, wie kann ich in den wenigen Tagen bis zum Start des
Sommersemesters ohne entsprechend Vorerfahrung digitale Lehre gestalten?
Um nicht aufzugeben, erinnerte ich mich daran, wie es gelingen kann einen Elefanten im Kühlschrank zu lagern – genau, in Scheiben schneiden.
Es fühlte sich an, als rückte ich mit einem Brotmesser einem Ungetüm zu Leibe...
Schritt eins: Durchatmen, Ruhe bewahren.
Schritt zwei: Noch einmal Durchatmen, weiter Ruhe bewahren.
Schritt drei: Kein Osterurlaub, stattdessen Marathon in Medienkompetenz. Für einen „digitalen Dinosaurier“ wie mich kein so ganz leichtes Unterfangen.
Schritt vier: Ideensammlung zu Planung von ganztägigen Lehrveranstaltungen – im Methodenmix für ganztägige Präsenzveranstaltungen kenne ich mich ja ganz gut aus, aber wie
lässt sich das auf digitale Methoden übertragen, wie lange dauern Online-Quizze, wieviel Zeit muss für die Organisation von Eigen- oder Gruppenarbeit eingeplant sein, was ist
ein gutes Tempo… Fragen über Fragen und keine Zeit, erst einmal in Ruhe „Train the trainer“ Kurse zu besuchen. Die Beschleunigung eines Rennwagens, in 2,5 Sekunden von 0 auf
100 kam mir dagegen lächerlich träge vor. Digitalisierung im Turbo-Gang.
Schritt fünf: Augen zu und durch. Im April dann fliegender Start mit einem soeben für irgendwie fahrtüchtig erklärten Gefährt, kein Trainingslager, keine Testläufe, keine
Warmfahren der Reifen. Nein, das Rennen wurde gestartet und so haben wir, Studierende und DozentInnen, gemeinsam Gas gegeben. Manches Lernpaket war vielleicht noch nicht
optimal getunt, manchem Quizz fehlte der ideale Grip, nicht bei jeder Online-Vorlesung klappte der Reifenwechsel in Bestzeit, aber wir haben dennoch nun schon zwei große
Rennen gemeistert, sprich zwei Semester geschafft. Diese gingen allerdings sehr auf Kosten unserer MechanikerInnen. Die StundenplanerInnen schwitzen in Ihren feuerfesten
Overalls wie kaum eine andere Berufsgruppe. Niemals bisher war eine Planung so fragil, wie in diesem Jahr. Kaum hatten Sie uns grünes Licht für die nächste Rennetappe gegeben,
hieß es wieder, Boxenstopp notwendig, schnell reinkommen, nächste Änderung, wir müssen um planen.
Und so ist nicht alles perfekt gelaufen, aber wir sind gefahren, Runde um Runde und haben meines Erachtens unter Berücksichtigung der Wetterbedingungen keine allzu schlechten
Rundenzeiten erzielt.
Jetzt haben wir eine kurze Verschnaufpause vom Renngeschäft, bevor die nächste Tour beginnt. Neue Kurse, neue Strecken, etwas mehr Trainingszeit, etwas mehr Erfahrung, aber
die Spannung vor jedem Rennen bleibt. Steht die Technik, gelingen die Methoden, wie viele Boxenstopps wird es geben müssen?
Ich wasche jetzt in Ruhe die Rennkombi und trockne den Helm auch mal von innen, bevor es nach Ostern weitergeht. Bis dahin halte ich den Brief einer Studentin in Ehren, die
mir schrieb: „Sie haben den Unterricht sehr anschaulich und abwechslungsreich gestaltet und auch viele technische Tools verwendet. Ich wünschte, die Lehrer meiner Kinder
würden nur einen Bruchteil dieses Engagements an den Tag legen.“ Ich bin dankbar für das Feedback und freue mich schon auf die nächste Saison! Der Countdown läuft, polieren
wir schon einmal die Visiere.
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